Was Eltern über Sensomotorik wissen sollten

Kinder und Sensomotorik
Sensomotorik

Schlaukopf Wissen   Was ist Sensomotorik oder eine sensomotorische Störung? 

Der Begriff Sensomotorik setzt sich aus Sensorik und Motorik zusammen. Er bezeichnet das Zusammenspiel der Sinnessysteme wie Augen und Ohren mit den motorischen Bewegungssystemen. Hier besteht ein enger Zusammenhang. Denn nur das, was das Kind „richtig“ wahrnimmt und verarbeitet, kann in „passende“ motorische Reaktionen umgewandelt werden. Die sensomotorische Entwicklung ist daher ein wichtiger Schritt der menschlichen Frühentwicklung. 

Ist das Zusammenspiel von Sensorik (Wahrnehmung von Sinnesreizen) und Motorik (Muskelreaktion) unausgereift, wird von einer sensomotorischen Störung gesprochen. Bereits ab der dritten Schwangerschaftswoche findet eine Vernetzung von Nervenzellen und eine elektrische Signalweiterleitung an die Muskelzellen statt. Ab der neunten Schwangerschaftswoche beginnt dann die Phase, in der hauptsächlich die Entwicklung der Wahrnehmung und der Bewegung im Mittelpunkt steht. Jetzt ist es die Aufgabe über positive Empfindungen und (Bewegungs-)Wahrnehmung, das „Futter“ für die weitere Entwicklung des Nervensystems zu liefern und damit eine gute Grundlage für die kindliche Bewegungsplanung zu schaffen. 

Wie aber kann dieses Futter aussehen? Einige Beispiele hierzu:

  1. Im Mutterleib sind das taktile System und das Gleichgewicht diejenigen Systeme, die am frühesten reagieren. Somit ist regelmäßige Bewegung, wie wir sie im Alltag verrichten, schon für das ungeborene Kind von entscheidender Bedeutung. Schwangere mit vorwiegend sitzender Tätigkeit sollten somit die Pausen, Abendstunden und Wochenenden immer wieder für kleine Spaziergänge nutzen. Auch das Tanzen zu Musik oder sanfte Bauchmassagen sind willkommene Aktivitäten, die die Entwicklung des Sinnessystems unterstützen. Sind längere Liegephasen in der Schwangerschaft notwendig, so hilft das Liegen auf einer Luftmatratze oder in einem Wasserbett, welchebei jeder Körperbewegung der Mutter, leichte Schaukelreize auf das ungeborene Kind überträgt.
      
  2. Jede Entwicklung hat ihre Zeit und ist fast immer Grundlage weiterer Entwicklungsschritte. Zeit und der nötige Freiraum, diese zu nutzen, sind daher wichtige Faktoren, die Kinder von klein auf benötigen, um diese Schritte durchlaufen zu können. Der technische Fortschritt und die Bequemlichkeit der Gesellschaft wirken hier aber oft unbemerkt entgegen. So gibt es beispielsweise seit Jahren Autositzschalen, eine praktische Entwicklung unserer Zeit, die den sicheren Transport von Babys und Kleinkindern im Auto ermöglichen. Diese sollten aber nicht als ständige „Aufbewahrungshilfe“ genutzt werden. Wenn sich ein Baby ständig in dieser gebeugten Sitzhaltung befindet, bleibt ihm kaum Spielraum, andere Haltungen zu erfahren. Körperstreckung, Kopfdrehungen, Strampeln von Armen und Beinen, Drehen, Stützen – das alles sind wichtige Bewegungen, die das Kleinkind in dieser Position nicht ausführen kann. Besser geht dies auf einer Decke am Boden.  
     
  3. Krabbeln ist besonders hilfreich für das Zusammenspiel der linken und rechten Körperseite. Kinder sollten ausreichend Zeit und Gelegenheit haben, das Robben und Krabbeln zu erproben. Auch wenn die Zeit knapp, die Hose neu oder die Knie „nackt“ sind, sollte das Krabbeln bis ins Kleinkindalter hinein täglich auf dem Programm stehen. Das Zusammenspiel der linken und rechten Körperseite ist wichtig für jegliche ökonomische Fortbewegung, aber vor allem auch für die Bewältigung des Alltags – vom Schreiben in der Schule über das tägliche Anziehen bis hin zum Kochen oder Handwerken. 

  4. Wichtig ist, Bewegung selbst zu erfahren. Durch das eigenständige Be– und Fortbewegen lernt das Kind, sich am eigenen Körper zu orientieren und sich ein Bild von seinem Körper zu machen. Wie fühlt es sich an, wenn sich der Arm oder das Bein bewegt? Hier steht die Bewegung – wie so häufig – in engem Zusammenhang mit der Wahrnehmung, insbesondere der kinästhetischen Wahrnehmung (Stellungssinn, Bewegungssinn, Kraftsinn, Spannungssinn). Die Wahrnehmung der Bewegungen ist nun Voraussetzung dafür, die Position der eigenen Gliedmaßen auch mit abgewandtem Blick einschätzen zu können – eine Fähigkeit, die für viele (Alltags-)Fertigkeiten von grundlegender Bedeutung ist (Fahrradfahren, Autofahren, Ballwerfen etc.). Kindern, die eine gute Eigenwahrnehmung haben, fällt es in der Regel auch leichter, sich anderen Kindern gegenüber achtsam zu verhalten. Denn nur, wer den eigenen Körper „beherrscht“, ist in der Lage, das Verhalten anderer einzuschätzen und zu bewerten. 

  5. Neben dem Körperbild entwickelt das Kind durch die eigene Fortbewegung und das Ertasten und Bewegen von Gegenständen, eine Raum- und Maßvorstellung (Entfernungen, Höhen, Gewichte etc.). Vereinfacht ausgedrückt kann nur das Kind, welches beispielsweise beim Strampeln gegen den Tisch getreten ist, sich beim Krabbeln den Kopf an der Wand gestoßen hat oder beim in die Hocke gehen auf den Po gefallen ist, Entfernungen und Höhen mit der Zeit einschätzen. Ein Kind, das regelmäßig im Haushalt (Kochen, Garten etc.) hilft, kann Gewichte, Abmessungen und Druck mit der Zeit gut einschätzen und auf vergleichbare Dinge übertragen – eine wichtige Voraussetzung bei der späteren Orientierung und für das Verstehen und Anwenden vielfältiger Anforderungen aus dem AlltagErfahrungen, die als Kind im körpereigenen Raum gesammelt wurden, können in der Schule im zweidimensionalen Raumauf dem Papier in Form von Buchstaben, Zahlen und Formen umgesetzt werden. 

  6. Rollen, Schaukeln, Wippen, Balancieren oder auch der aufrechte Gang sind eine ständige Herausforderung an unser vestibuläres System, welches jede Verlagerung im Raum mit hochsensiblen Rezeptoren wahrnimmt. Auch die Kontrolle der Augen hängt von ihm ab. Ist dieses gut trainiert, benötigen Kinder z.B. für die tägliche Fortbewegung so gut wie keine Aufmerksamkeit und wenig Energie. Die Orientierung im Raum fällt ihnen leicht und andere Wahrnehmungssysteme müssen nicht oder kaum „eingreifen“. Zappelige Kinder weisen oft Defizite in der vestibulären Wahrnehmung auf. Sie müssen ihre Position ständig bewusst korrigieren und haben Probleme in der Feinabstimmung der Bewegung und Orientierung. Diese Aufmerksamkeit kann dann für andere schulische Ansprüche nicht zur Vergung stehen.  

 

Zur Sensomotorik gehört somit auch, dass Kinder sich selber und ihre Mitmenschen richtig einschätzen können, und sie sich sicher in der Umwelt bewegenDazu gehört eine ausgereifte Eigenwahrnehmung aber auch die Lateralität/Seitigkeit, Zentrierung sowie die Einschätzung von Raum, Zeit, Farben und Größen.  

 

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